Marie Wohlfeil-Pérez Esteban

 

Der Schatz von Uporea




Edition

www.ComunicArte.de

 



aus unserer Reihe

Geschichte der Zukunft
Zukunft der Geschichte


Marie Wohlfeil-Pérez Esteban

 

Der Schatz von Uporea

 

 

Ein neuer spannender Kurzroman
der frurchtbaren Schriftstellerin
mit dem futurhistorischen Trick.

Welchen Schatz, der den Forschern eine Audienz bei Zirf Sahton -dem IP-Präsidenten persönlich- verschaffen soll, birgt die geheimnisvolle Ausgrabungsstätte?

Nur solche Leser, denen ihre eigene
Vor- und Frühgeschichte ans Herz gewachsen ist, werden dieses Rätsel völlig lösen können...

 

  

Edition

www.Comunicarte.de

 


 

Dieses Werk ist

Fritz Nothaass

gewidmet,

dem besten Erzähler des
Zweiten und Dritten
Jahrtausends.

 

 

 

 

Besuche auch unsere Online-Version bei

www.ComunicArte.de/Filosofia/Der Schatz von Uporea.htm

Dort findest du womöglich heisse Tips...

 

 

 

Jegliche Ahnlichkeit mit lebenden Persönlichkeiten ist völlig absichtlich und buchstäblich mit Berechnung geschaffen.

 

 

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www.Comunicarte.de


 

 

Der Schatz von Uporea

 

 

"Sensationell! Einfach unglaublich!"

Die Chefarchäologin wischte sich den Schweiss aus den Augen, um den Fund besser betrachten zu können. Die Wellen umspülten leise gluckernd die kaum gesicherte Ausgrabungsstelle.

"Scheint ein Sommerpalast gewesen zu sein, so nah am Strand." Der Ausgräber der Figur aus 'geschmolzenem Stein' blickte stolzgeschwellt auf den bunten Scherben.

"Noch zu früh für derlei Vermutungen", sentenzierte seine Vorgesetzte, "aber eins steht fest: der Fund beweist, dass in früheren Jahrtausenden selbst in diesen Breitengraden zivilisierte Kulturen angesiedelt waren! Die Geschichtskommission muss rektifizieren..."

"Kein Wunder, wenn sie es nicht glauben wollen, bei diesen Nukleartemperaturen hier! Ein Glück, dass uns die Ausgrabung noch rechtzeitig für den Winter bewilligt wurde..." Citvenn gedachte mit Grauen der ersten Begehung, die im Sommer stattgefunden hatte. Selbst mit Frigo-Schutzanzügen war es kaum zu ertragen gewesen.

"Vermutlich war das Klima damals etwas kühler. Ist jedenfalls die logische Konsequenz aus den Forschungen von Lezabi, die vom KRID, das heisst, hat sich gerade selbständig gemacht. Als Planetologin muss sie es ja beurteilen können."

Zerep Aerdna bückte sich, um die Fundstelle näher zu untersuchen.

"Einen Vorteil hatte es schon, hier zu leben...", Citvenn blickte verträumt in den klaren Himmel, "die hatten wenigstens Tageslicht im Winter, nicht so wie bei uns jetzt auf dem Pol!"

 

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"Das war genau der Punkt, der die Kommission dazu bewogen hat, unseren Antrag anzunehmen. Ich weiss es von Reniar, der war mit im Ausschuss... ", warf Lurtud ein, die gerade zu ihnen auf den Hügel krabbelte. "Obwohl sie meinten, auf diesen kleinen isolierten Inselgruppen hier können nur primitive Gesellschaften gelebt haben..."

"Primitiv, ha!", grunzte Citvenn und wendete liebevoll den rot-blau-grünen Scherben in der Hand. Lurtud wartete geduldig, bis er ihn ihr aushändigte, rieb ihn sauber und studierte ihn eingehend.

"Sieht aus wie ein Vogelkopf mit bunten Federn. Welches Alter gibst du ihm, Lurtud?"

"Schwer zu sagen ohne Vergleichsmaterial. Im Süden von Nordbergland sind vor kurzem Dinge aus ähnlichem Material gefunden worden: feingeschmolzener weisser Stein, manchmal sogar durchsichtig! Dort handelte es sich um kleine schalenförmige Gebilde, meist rund oder eckig, mit 2 bis 4 leichten Vertiefungen am Rand. Vermutlich Ritualgegenstände; angeblich dazu da, dass mehrere Personen gleichzeitig einen Finger in die Schale legen konnten. Meint jedenfalls Orembag -der aus Galaam, der immer alles als Kultutensilien interpretiert, wenn er nicht weiss, wozu es nutze war...-"

"Na ja, wäre ja möglich... Unsereins hat ja auch die verrücktesten Gewohnheiten: ihr von Neinaps, zum Beispiel..."

Zerep verdrehte die Augen.

"Fang nicht schon wieder an, Citvenn! Du weisst genau, dass dir unsere Bräuche nur deshalb so merkwürdig vorkommen, weil ihr selber einem anderen Phil-System folgt. Ist eben alles relativ im Leben, das solltest du als Wissenschaftler nun schon langsam wissen!"

"War doch noch garnicht fertig! Muss zugeben, dass mich das T.A.O.-System von eurem Leunam ziemlich überzeugt.


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Und gerade deswegen fällt es mir immer leichter, festzustellen, welch merkwürdige Gewohnheiten wir zum Teil auf Ghurmba haben..."

Er wandte sich wieder der Figur zu. "Eins scheint jedenfalls immer deutlicher zu werden: die hier kannten noch keine Perma-ArtiFunz-Technologie. Wenn dem so wäre, hätten wir auf dem Planeten hier schon überall Gegenstände aus PA gefunden." Er zeigte auf seine Schuhe. "Hält wirklich ewig: sonst könnte ich ja nicht in den Sandalen meines Urgrossvaters hier herumlaufen."

Zerep warf einen Blick auf seine Füsse und grinste.

"Nicht gerade der letzte Schrei, aber sehen wirklich wie neu aus. Hättest sie dir doch umformen lassen können..."

"Aber niemals! Sind doch für mich als Archäologe genau der richtige Stil!"

"Recht hast du, Citvenn!". unterstützte ihn Lurtud, "Risaikeln ist ja gut und schön, aber die Qualität liegt nicht allein im Material! Wenn das Wirtschaftsministerium es nicht für so unerlässlich hielte, die Umformindustrie zu fördern, bräuchten wir uns nicht jedes Jahr an ein neues Disain zu gewöhnen! ... und das Modegerenne verkaufen sie uns dann als 'Umdenken'!", schnaubte sie entrüstet. "Also ich hebe auch alles auf, was mir gefällt... 'Zeitzeugen' sind das - Alltagsdokumente für spätere Zeiten, davon kann es nie genug geben, besonders in Gustologie! Wenn ihr wüsstet, welche Sammlungen ich zuhause auf Ghurmba habe..."

"Nach dem Tiefgang deines Wohn-Schwumms an der Polstation zu schliessen, muss dir auch hier schon einiges gefallen haben... dabei sind wir doch erst einen halben Zentralsternumlauf auf Satellit 3!"

Ein stärkeres Gluckern des Wassers liess alle aufhorchen. Auch an den anderen Ausgrabungsstellen rund um das und auf dem Hügelchen blickten mehrere junge Leute von ihrer staubigen Arbeit auf. Über die Wasserfläche glitt ein Universalmobil auf sie zu, noch triefend vom soeben beendeten Tauchgang.

 

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"Oh, Uitneq kommt zurück!", rief Zerep aufgeregt. Endlich sollten sie erfahren, ob der Unterwasserstrand weitere Indizien barg. Die Tatsache, dass ein Teil der Anlage, deren Fundamente sie zur Zeit untersuchten, von den Wellen freigespült worden war, liess darauf hoffen, dass sich unter dem Meeresspiegel noch weitere Behausungen erhalten hatten.

Ein gelenkiger hellblonder Jüngling wand sich aus dem Hermetikverschluss des Universalmobils. Seine geheimnisvolle Miene erfüllte die Atmosphäre mit knisternder Spannung, während er sich

-geniesserisch langsam- der Gruppe näherte, die sich inzwischen um Najne, Negis, Airam-Agev und Asbenet erweitert hatte.

"Er muss einfach interessante Anhaltspunkte gefunden haben!", sagte Zerep beschwörend und wie zu sich selber, "Alle meine Nachforschungen weisen darauf hin, dass der Wasserpegel in früheren Zeiten viel niedriger lag. Laut Lezabi fällt nämlich überall bei niedrigeren Temperaturen der Meeresspiegel, weil sich mehr Wasser in Form von Eis auf den Gebirgen und an den Polen festsetzt. Zumindest für ihren Planeten, Naskivand, ist es erwiesen... ..... Hallo, Uitneq, endlich bist du da! Na?? Was gibt's Neues? Was hast du gesehen?"

"Och, ein paar Steinchen waren schon da...", begann Uitneq, unschuldig ausdruckslos blickend. Airam-Agev, die ihn genau beobachtete, sah jedoch den Schalk in seinen Augen aufblitzen. "Direkt unterhalb dieser Fundstelle geht es zuerst leise geneigt abwärts, mit ein paar Fundamentresten. Dann fällt das Gelände plötzlich steil ab...", Uitneqs Stimme füllte sich mit Spannung.

"Und dann???, nun sag schon!", drängte Zerep, die vor Aufregung zappelnd an den Fingern kaute.

"Da unten zwischen den Inseln, wie in einem Tal, liegt der Rest von einem riesigen Turm!", platzte Uitneq heraus, "der reichte mindestens so hoch wie dieser Platz hier. Ich hab alles mit dem 4D-Registrierer aufgenommen, hier, guckt mal!"

Er zog einen kleinen Apparat aus der Tasche. Alle stellten sich nebeneinander, um die Projektion besser beobachten zu können, die


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vor ihren Augen in der Luft Gestalt annahm, adäquat den flimmernden Lichtverhältnissen angepasst.

"Ahhh! Man hat gleich so ein erfrischendes Gefühl! So viel Wasser um einen herum! Schade, dass das Gerät keinen Temperaturadapter besitzt...", kommentierte Asbenet, während sie den plastisch vorgespiegelten Tauchvorgang beobachteten.

"Ja und 'nen Geruchsemulator willst du wohl auch noch! ...", zog ihn Najne auf, "Wir können von Glück sagen, dass sie uns die 4. Dimension bewilligt haben - obwohl die hier noch völlig unnütz ist, solange wir dem Gerät keine Sat3-Vergleichsdaten einspeisen können..."

In der Projektion hatte das Unimob inzwischen die Behausungsreste unterhalb der Strandlinie überschwommen und näherte sich einem Steilabhang. Alle starrten erwartungsvoll ins immer dunkler wogende Wasser. Hier und dort streiften beeindruckend grosse Fische unterschiedlichster Färbung behäbig durch die Dunkelheit. Doch plötzlich erhellte sich die Szene: der Rasterfahnder hatte ein Objekt ertastet und die intuitive Helligkeitsanpassung stellte sich auf menschliche Fotonschwingungen ein.

"OoooooOh!", entfuhr es allen, als sie die riesigen Trümmerreste des Turmes auf dem Meeresboden erblickten, eindeutig erkennbar, trotz Schlammablagerungen und üppiger Vegetation. Uitneq aktivierte den 3D-Analysator.

"Rekonstruierte Objektlänge: 84 dezimalmeter, rekonstruierte Objekthöhe: 20 dezimalmeter, rekonstruierte Objektbreite: 30 dezimalmeter. Datierung: keine Daten erhältlich, Fehlerquelle: Vergleichsdatenmangel", tönte es wenig liebreizend aus dem 4D-Apparat.

"Baumaterial?", fragte Lurtud.

"Fein-Steinguss, Grob-Steinguss, Steinschmelze, Metall.", knarrte der Analysator.

"Eine progressive Zivilisation auf den Zalpf-Inseln!!! In Uporea ! Wo alle dachten, dass dieser Kontinent von jeher völlig unbewohnbar


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war!!!", jubelte Zerep und sprang vor Begeisterung fast in die Projektion, der die Luftwirbel leichte Beulen verursachten. "Unterhalb des 60. Breitengrades wurde hier noch nie etwas gefunden, und hier sind wir...? Planetographische Position!" befahl sie dem Analysator.

"49 Grad 29 Minuten nördlicher Breite, Sexagesimales Äquator-Pol-Messungssystem.", schnarrte der Apparat, "welchen Nullpunkt wünschen Sie für die Längenmessung?"

"Wenn da unten ein so hohes Gebäude stand, muss der Wasserstand ja sehr viel niedriger gewesen sein... ", gab Airam-Agev zu bedenken, "man sollte Lebazi konsultieren, ob das tatsächlich möglich war."

"Welchen Nullpunkt wünschen Sie für die Längenmessung?", wiederholte der Analysator.

"Könnte ja auch sein, dass der Turm auf der gegenüberliegenden Insel stand..." warf Negis ein, "wir sollten uns mit Niloa in Verbindung setzen, ob sie etwas entsprechendes gefunden haben..."

"Welchen Nullpunkt wünschen Sie für die Längenmessung?", der Analysator war vermutlich auf 'Insistenz' programmiert worden.

"Oh, bringe einer diese dumme Maschine zum Schweigen!", stöhnte Lurtud, die technologischen Neuerungen gegenüber stets etwas misstrauisch gesinnt war.

"Er fragt nur dreimal, gewöhn dich dran.", beruhigte sie Uitneq, der die ganze Zeit aufmerksam die Projektion verfolgt hatte. "Da! Guckt schnell hin! Kam mir doch gleich so vor, als hätte ich schon beim Drüberschwimmen diese beachtlichen Fundamentreste gesehen. Ich glaube, der Turm stand wirklich mitten in dem Tal. Ausserdem merkt ihr ja selbst, dass die folgenden Trümmer ganz anderer Art sind: abgewaschene rotbraune Felsenrestchen... und dieser Blockrest dort hat eine ganz andere Grundform... " Uitneq wies auf eine dunkle Stelle weiter vorne. "Dann bin ich nach rechts eingeschwenkt, um die Insel zu umrunden... Seht ihr die grossen dunklen Stümpfe dort: sind auch Reste von zwei Türmen, rund

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diesmal, aber wesentlich schmäler. Nicht bewohnbar, meine ich, hatten bestimmt eine andere Funktion... Oh Mann! Immer dieser Interferenzen!"

Die 3D-Projektion hatte plötzlich zu zittern begonnen. Mitten im Wasser flackerte undeutlich ein Gesicht auf, das rasch an Konsistenz gewann. Eine blonde Frau mit kurzgeschnittenem Haar und blaugeschminkten Lippen lächelte aus einer hitzeflimmernden Umgebung auf die Gruppe herab. Sie bewegte den Mund, als ob sie etwas sagte, während ein unbeirrbarer Riesenfisch schemenhaft durch sie hindurchschwamm.

"Niloa!", rief Zerep erfreut, "fast wie gerufen!"

"Verflucht, der Ton kommt mal wieder nicht richtig rüber!" Citvenn, der Komm-Tech-Spezialist des Teams, fühlte sich angesprochen. "Uitneq, schalte die Frequenz um. Ich hab wohl neulich vergessen, die Bi-Direktionierung der Kanäle auf Automatik zurückzustellen... Die Bildstörungen sind ohnehin nicht zu beheben, solange die 4D-Komponente nicht in Betrieb genommen wird."

"...wüsstet, was wir gefunden haben! Einfach toll!", Niloa zeigte mit einer weitausholenden Armbewegung auf ihre Umgebung, "Einen riesigen Versammlungsplatz mit stufenförmigen Guss-Stein-Resten drumherum! Da passten Unmengen von Leuten rein!...kkrhkrrr ......."

"Fantastisch!", beglückwünschte sie Zerep, immer euforischer gestimmt, "was habt ihr sonst noch gefunden?"

"Psst - die hört dich nicht - der Kommunikator scheint einseitig blockiert... ", flüsterte Citvenn, während er mit dem anderen Ohr dem nur von Knistertönen unterbrochenen Redeschwall folgte.

"... das Merkwürdige an dem Platz ...krrr... rechteckige Grundfläche war völlig naturbelassen, keine Spur von Belag ... krrkkrrr... sensationellen Fund gemacht, mit dem Artifakt-Detektor: ein Musikinstrument !!! Lirstik! ...kKKrrrr .... mal schnell her und zeig den Artifakt, den du gefunden hast!"


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Eine üppige Blondine rückte ins Blickfeld - Lirstik, die Expertin in Urzeit-Technologien. Sie streckte freudestrahlend die Hand nach vorne, auf der ein kleines schwarzes Etwas lag, ähnlich einer Spirale, mit 2 rechteckigen Öffnungen. Vorsichtig näherte sie eines der Löcher dem Mund zu und blies hinein.

Alle fuhren erschreckt zusammen. Einen derart schrillen Ton hatten sie als "Musik" nicht erwartet. Die Zivilisation musste trotz allem ziemlich primitiv gewesen sein.

Lirstik - deren Füsse soeben von Schlingpflanzen umwedelt schienen - setzte den Artifakt ab und bewegte die Lippen. Eine Gruppe Garnelen wanderte lautlos über den flimmernden Platz, auf dem man Niloas Team schuften sah: Tholechtar, Thur, Mesmes, Tirmana und Trosfich bewegten keuchend schwere Trümmer.

"... sicher, dass hier Kulthandlungen unter offenem Himmel stattfanden, ... kkkrrkkk... keine Reste von Überdeckung des Platzes gefunden... gjfrlkkklrrrk....Naturreligion, wobei die Priester die Massen in Trance versetzten mit diesen Artifakten... Vielleicht auch sakrale Schauspiele... ..krkkjglrr... KRKKkrkkgkrkslklskkklrrr.......kdkrkfsklrrzrrr..." - das Bild verblich zunehmend, die Wasser gewannen wieder die Oberhand. In der Projektion sah man eine hohe Mauer aus grobem braunroten Stein mit hoher Geschwindigkeit auf die Gruppe zurasen.

"Fast wäre ich dagegengeknallt", schauerte es Uitneq noch nachträglich, "im letzten Augenblick konnte ich das Unimob hochreissen... Man sollte immer die Automatik anlassen! Die Mauer muss direkt hier links von der Ausgrabung unter der Wasseroberfläche liegen!"

"Ich krieg die Verbindung nicht wieder hergestellt, solange die beiden den Kommunikator nicht richtig justieren", bedauerte Citvenn. "Asbenet, versuch´s doch mal per Telesensorik..."

"Nachher vielleicht - hat Zeit, ich hab so grausigen Hunger. Ich geh gleich mal unsere Portionen hydratieren: wer will Uschagul? und wer will lieber Flepa-Slurdet? Ach übrigens, ich warne euch jetzt schon:

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der Vitmin-Trunk wird superlecker schmecken; irgendeiner von euch Gastro-Experten hat zwei verschiedene Geschmackssorten in den Liquidator gefüllt......"

Kurz darauf trafen sich alle im kleinen Iso-Energen-'Zelt', das auch als gemeinsames Schlafzimmer diente. Es war zwar eng, weil ihnen nur ein winziger Energiegenerator zur Verfügung gestellt worden war, aber die gekühlte Strahlen schützten sie wirkungsvoll vor den gleissenden Aussentemperaturen. Asbenet hatte ihn auch schon auf mittlere Helligkeit eingestellt, so dass der virtuelle Raum in gemütlichem Halbschatten lag.

Sie stürzten sich auf ihre Portionen. Eine Zeitlang hörte man nur Kaugeräusche -etwas intensiver bei den Uschagul-Essern, da die Hydratierzeit wohl nicht lang genug gewesen war-, doch sobald Zerep ihren ersten Heisshunger gestillt hatte, griff sie die Diskussionen wieder auf, die schon während der vorhergehenden Handhygienesession -zu blöd, dass sie für soviele Leute nur 2 Hygi-Generatoren hatten- gewogt hatten.

"Ich meine, Negis hat Recht: wir müssen gezielt nach Dingen suchen, die mögliche Sponsoren interessieren - sonst können wir die Unterwassergrabung gleich vergessen. So wie die öffentliche Finanzlage zur Zeit aussieht..."

"Also Najne und ich sind auf eine vielversprechende Stelle getroffen: hier oben, wo der Hügel weiter ansteigt, liegen erstmal mehrere Platten aus Polierstein, so wie der, wo Citvenn die bunte Vogel-Figur gefunden hat, nur viel heller. Es scheinen auch Stufen dabeizusein: ich nehme an, dort geht es in ein unteres Stockwerk... Ist natürlich alles mit Sand und Erde verfüllt.

Aber nördlich davon, direkt angrenzend, haben wir unter den Resten einer eingefallenen Kochstein-Mauer eine grosse Metallplatte entdeckt. Werden wir nachher gleich mal blosslegen, vielleicht ist auf der Unterseite etwas Interessantes drauf..."

"Ich nehme an,", fiel Najne ein, " die Platte war an der Mauer befestigt bevor diese einstürzte. Direkt darunter befindet sich nämlich ein einheitlicher Plattenbelag aus primitivem Kochstein,


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genau derselbe wie vorne auf dem Hügel" -sie zeigte in Richtung Meer- "und wie auch unten bei dir, Lurtud."

"Scheint, dass das Gebäude davon eingerahmt war, und dass es aus mindestens 2 Etagen bestand... Merkwürdig, dass wir im Innern bis jetzt sowenig Material gefunden haben." Negis leckte sich genüsslich einen Rest Slurdet vom Finger.

"Wenn ich Lezabi richtig verstanden habe, sind diese Klimaveränderungen eher langsam vor sich gegangen: die Leute hatten also genügend Zeit, ihre Häuser zu räumen, alles Wertvolle mitzunehmen... Wenn wir etwas Aufreisserisches finden wollen, müssen wir..."


"... nach alten Rumpelkammern suchen! Wo die Bewohner die Sachen stapelten, die sie zum Umformen bringen wollten!"

"Meinst du wirklich, die hatten schon eine Umformindustrie? Bei den primitiven Einwegmaterialien, die bis jetzt auf diesem Planeten gefunden wurden, wage ich daran zu zweifeln!" Lurtud lachte und verschluckte sich am Vitmin-Trunk. "Igitt! Was ist das denn für ein moderner Geschmack? Wie schales Rebi mit Ocalaco!" Sie hustete und setzte fort: "Obwohl... die Idee ist garnicht so schlecht: in einem grossen Gebäude wie diesem gab es bestimmt einen Ort, an dem man vorübergehend etwas lagerte, oder bewusst etwas sammelte..."

"... und was die Leute beim Auszug einfach hierliessen, weil es sie nicht mehr interessierte...", Uitneq war Feuer und Flamme. "Ich schlage vor, wir suchen im Hügel, vielleicht haben sich irgendwelche Räume erhalten! Wir müssen den Stufen nachgraben!"

Ein wildes Stimmengewirr erhob sich: alle überboten sich in Theorien, was im unteren Stockwerk verborgen sein könnte.

"Wenn wir irgendwelche Gastro-Materialien fänden! Stellt euch vor, das wäre genial! Dann könnten wir uns an den Obeg-Konzern ranmachen. Die vergeben gerade Riesen-Stipendien für archäokulinarische Forschung!!!"

"Oder archaische Rechensysteme! Da ist der Namtlow-Boss ganz wild drauf... Die sind auch sehr grosszügig..."


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"Schade, dass agrarkulturell wohl nicht viel drin ist, sonst könnten wir Zirf Sahton dafür interessieren."

"Den IP-Präsidenten persönlich???"

"Klar doch. Seit er zum InterPlanetarischen Vorsitzenden gewählt wurde, haben die Agrarforscher ziemliches Oberwasser bekommen. Ausserdem hat Reniar einen guten Draht zu ihm."

"Der noch besser wäre, wenn er endlich zustimmen würde, die Kommissionäre in IP-Funktionäre umzuwandeln. Aber Reniar weigert sich schon seit Jahren..."

"Warum eigentlich?"

"Will seine Unabhängigkeit nicht aufgeben..."

Zerep brachte sie zum Schweigen. "Also sind wir wohl einverstanden, dass weiter vertieft werden muss. Citvenn, Uitneq und Asbenet, ihr holt euch den Turbo-Filtersauger und folgt den Stufen nach unten. Negis und Najne, ihr rettet die Metallplatte. Lurdut und ich machen hier oben weiter, für den Fall, dass doch noch Interessantes zwischen den Trümmern liegt. Vergesst nicht, die Schichtmarkierungen zu sichern und die Funde schrittweise in den 4D-Registrierer einzugeben, sonst ist alles für die Katz!"

Frisch gestärkt und hochmotiviert gingen alle an ihre Grabungen. Der Turbosauger leistete beachtliche Arbeit, wenn auch die Reste eines metallenen Gestänges zweimal die Energie-Filter kollapsieren liessen - schliesslich hatte der Apparat schon sideraljahrzehntelang bei Ausgrabungen in Alalac (auf Neinaps), Seonde (Naskivand) und in Skab-Dwen auf Ghurmba gedient, und verwarf daher auch öfters kleinere Fundstücke in den Abfall-Behälter, weshalb dieser immer noch einmal per Hand gesichtet werden musste. Für 'unproduktive' Wissenschaften wie Interplanetarische Archäologie waren eben nie Mittel vorhanden...

Es wurde bereits dunkel und immer kühler, als das Najne-Negis-Team endlich die Metallplatte freigelegt und gewendet hatte. Das Material war bräunlich-brüchig, obwohl an wenigen Stellen die ursprünglich wohl schwarze Farbe erhalten geblieben war. Nach vorsichtiger Säuberung konnte man auf der Oberfläche undeutlich mehrere menschliche Figuren erkennen.

Lurtud rief die Mytho-Spezialistin Airam-Agev zu Hilfe, und der Austausch ihrer an sich schon rätselhaften Terminologiefetzen
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("Jüngstgericht", "Solomillisches Urteil", "Götterspeise"....) wurden durch das Heulen des langsam asthmatischen Turbosaugers noch unverständlicher.

Erst am folgenden Mittag gelang der entscheidende Durchbruch.

Die Wüsten-Nacht war trotz Meeresnähe so kalt gewesen, dass Uitneq, der zum Pinkeln kurz das Iso-Energen-Zelt verlassen hatte, fast erfroren wäre, weil er vergass, den Energieverschluss auf "Von aussen öffnen" einzustellen: die Energiestrahlen hielten nicht nur das Innere des Virtual-Zeltes gemütlich warm, sondern isolierten auch die Bewohner gegen jeden Eindringling und schützten sie, fatalerweise, vor jeglichem Lärm der Umgebung... Also war ihm nichts anderes übriggeblieben als im Unimob Zuflucht zu suchen und mit dem dort installierten Telesensorikgerät sämtliche Schläfer zu wecken...

Endlich stiessen sie auf einen mit Poliersteinplatten belegten Boden. Die Abtragungen auf der den Stufen direkt gegenüberliegenden Seite verliefen erfolglos, doch die Grabung nach rechts brachte -oh Wunder! - eine durch den Luftabschluss gut erhaltene Raumtrennung zutage, aus organischem Material, in der Mitte von durchscheinendem Schmelzstein durchbrochen!!!

Sie wurde sofort den Konservierungstechniken Lurtuds anvertraut. Die Forscherin jubilierte, hatte sie doch noch nie zuvor diesen besonders eigenartigen, gewinkelten Gegenstand gesehen, der auf halber Höhe rechts befestigt war. Zerep wollte ihn anfassen, doch Lurtud hielt sie zurück.

"Achtung, noch nicht, sonst bricht uns alles zusammen! Wenn der OrganMat-Festiger gewirkt hat, werden wir feststellen, wozu dieses Ding da ist! "

Während sie bis 50 zählte -primitiver Zeitmesser, aber ungemein praktisch- , stellten alle die irrsten Vermutungen über die Funktion des Objektes an.

"Vielleicht ist es ein elektromechanischer Anmelder...hab sowas mal an einem Raumteiler in einem Museum gesehen, war aber viel kleiner..."

"Könnte doch ein Vorläufer der Zutrittsbefugnisüberprüfer sein - angeblich gab es früher welche, die per Berührung funktionierten..."


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"Oder es ist ein ganz primitives Öffnungssystem - dem Stand der Musikkenntnisse nach zu urteilen, halte ich es für unwahrscheinlich, dass diese Leute etwas von Schwingungssensorik verstanden...!

"So, der Festiger hat gewirkt - jetzt kannst du rangehen, aber sachte!", Lurtud klopfte vorsichtig gegen die OrganMat-Platte und nickte Zerep zu.

Zerep zog leicht an dem Winkelobjekt. Nichts passierte. Sie versuchte, es hochzudrücken. Wieder nichts. Schliesslich presste sie es mit der Hand nach unten...erschrocken liess sie los, denn es hatte sich bewegt. Das Objekt schnappte langsam in seine ursprüngliche Stellung zurück.

"Lass mich mal ran, ich glaube, ich weiss, wie das geht", meinte Negis. Sie ergriff den Winkel mit beiden Händen, drückte ihn nieder und zog ihn an sich. Der Raumteiler öffnete sich einen Spalt -aber nur auf der rechten Seite!- und dumpfe Luft schlug ihnen entgegen.

"Juchhu!!! Ein Hohlraum, dahinter ist ein Hohlraum! Kinder, jetzt wird´s spannend!"

Die Gruppe jubilierte. Asbenet holte eiligst den Energie-Generator, der sie vor schädlichen Strömungen, Strahlen und anderen Gefahren schützen und die zu erkundende Szene beleuchten würde. Uitneq und Citvenn überprüften die Einstellungen aller Registriergeräte. Dann gaben sie das Zeichen zum Aufbruch. Negis untersuchte noch einmal eingehend den Mechanismus des Raumteiler-Öffners, um sicher zu gehen, dass sie in keine Falle tappten - sie hatte es bei Lirstik gelernt, dass auch für Archäologen Sicherheit an erster Stelle stand. Airam-Agev befreite den Boden von Steinchen und Sandresten und zog den Raumteiler ganz auf. Den 'Ener-Gen' vor sich haltend betrat sie als erste einen weiten, relativ niedrigen Raum, ganz quadratisch gehalten.

Er war leer.

"OOooo...!", entfuhr es allen, hörbar enttäuscht.

Airam-Agev gab sich nicht geschlagen." Habt ihr´s gesehen?", sie schwenkte den Ener-Gen durch die fahle Dunkelheit, "hier sind sechs Raumteiler!!! Ein wahrer Palast!"

Sie ging auf den ihr am nächsten gelegenen zu, und manipulierte den Mechanismus. Diesmal musste sie nicht ziehen, sondern drücken. Ein weiterer grosser Raum tat sich vor ihnen auf, noch

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dumpfer klangen die Schritte auf dem unebenen Boden.

Nur ein paar OrganMat-Konstrukte standen an den Wänden, horizontal und vertikal angeordnet. Lurdut verschlug es den Atem.

"Nicht bewegen!", flüsterte sie aufgeregt, "sonst verfällt alles... Ich glaube, das ist "Cholts", ein ganz selten erhaltenes Baumaterial... uralt...". Sie betätigte vorsichtig den OrganMat-Festiger und begann, bis 50 zu zählen.


Die Augen ihrer Mitstreiter registrierten unterdessen sämtliche Einzelheiten...

Der Boden war mit ziemlich kleinen und holperigen, wenn auch regelmässig rechteckigen Steinen belegt. An einer Wand befand sich in der Höhe ein merkwürdiger, weil reichlich winziger Raumteiler, vielleicht ein Eingang für Haustiere??? Oder Kinder???

An der Wand direkt links neben dem Eingang war ein kleiner runder Behälter befestigt, ganz schwarz und mit einer Art Stachel in der Mitte.

Oben aus der Decke hing eine helle steife Schnur, halb nach oben gekrümmt und mit zweigeteiltem Ende... und an einer Wand konnte man ein rundes weisses Etwas mit zirkularer Vertiefung entdecken, die zwei symmetrisch angebrachte Löcher aufwies!

"Interessant, diese Dualitäten", flüsterte Citvenn, "man könnte fast meinen, die hätten schon etwas von Polarität verstanden!"

"Da! da!", quiekte Airam-Agev plötzlich aufgeregt und wies auf eines der Cholts-Konstrukte.

Sie hatte sich gebückt, um ein Metallstückchen vom Boden aufzuheben. Dabei war ihr Blick auf ein faszinierendes Objekt gefallen, das aus der Ecke schwach die Ener-Gen-Strahlen wiederspiegelte.

Alle gingen in die Hocke und ehrfürchtiges Schweigen herrschte im Raum.

Keiner wagte sich zu rühren, damit das unglaubliche Etwas nicht womöglich vor ihren Augen zu Staub zerfiele.

Endlich meinte Lurdut: "Ich glaube, das 'Ding' ist aus durchscheinendem Schmelzstein und einigermassen haltbar. Für den Fall, dass OrganMat mit dabei ist, werde ich es festigen, bevor wir

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es bewegen..."

Plötzlich sprudelten die Kommentare so wild wie aus einem defekten Liquidator.
"Sieht aus wie ein primitiver Behälter für Flüssiges..."

"Da scheint irgendwelches OrganMat drin zu sein... Seht ihr es? Kleine kugelförmige Dinger..."

"Iiiih! Da werden doch keine Funeralien drin stecken! Wenn das hier ´ne Begräbniskammer ist, geh´ich rauf!"

"Ach, Quatsch! wenn das menschliche Organreste wären, hätte mein Humandetektor reagiert!", beruhigte sie Zerep bedauernd. Skelette hatten sie schon immer fasziniert.

Asbenet, der bis jetzt geschwiegen hatte, machte endlich den Mund auf und traf, wie üblich, ins Schwarze. "Das muss irgendetwas Essbares gewesen sein. Eine primitive, aber effektive Art der Konservierung, meine ich."

Als den anderen die Tragweite dieses Verediktes dämmerte, war der Teufel los.

"Echtes uraltes Speisematerial!", Negis leckte sich andächtig die Lippen, "Rezepte zum Nachkochen..."

"Der Obeg-Konzern ist unser! Wir können den Turm ausgraben... "

"...vielleicht sogar das ganze Tal trockenlegen lassen!"

"... ein klimatisiertes Museum einrichten... "

"Archäoferien auf Sat3! In echten rekonstruierten Urzeithütten... -müssen natürlich voll klimatisiert werden, sonst kommt keiner- . Erleben Sie autentische Wildnis hautnah!"

"Wer weiss, vielleicht ist ja sogar eine Audienz bei Sahton drin, wenn wir ihm die Dokumentation widmen - Essen hat ja irgendwie auch was mit Agrarität zu tun, oder nicht?", schwärmte die Chefarchäologin -die als gute Spezialistin von anderen Wissenschaften nur über solide Basiskenntnisse verfügte-, ehe sie den Interkommunikator auf universalplanetarisch einstellte, um die sensationelle Neuigkeit der Welt laif mitzuteilen...

 

 

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PREISRÄTSEL


Die Preisfragen lauten:

- Wo findet die Ausgrabung statt?

 

- Was genau finden die Archäologen?

 

- Aus welcher Epoche stammen die Funde?

 

- Wer sind die Mitglieder der Forschergruppe?

 

Unter allen Einsendern der richtigen Lösungen bis zum 31-12-2003 wurde ein Super-Preis verlost: eine eigene kleine Webseite auf der ComunicArte-Domain mit dazugehöriger Mailbox (solange die Domain besteht, klar doch)!!!

 

Die einzige Einsendung mit allen richtigen Lösungen kam von

Trudl Wohlfeil

Bravo!!! und Herzlichen Glückwunsch!!!


 

 

Viel Spass beim Rätseln!!!!